Why do museums make me sad?

Jeder Fund, jede Einordnung und Ausstellung wirkt aus der Vergangenheit in die Gegenwart, projiziert in die Zukunft und kann machtvoll eingesetzt werden. Zugleich wirkt die Gegenwart immer auch auf Deutung und Interpretation der Vergangenheit. Das Echte ist schwer zu widerlegen, aber stets in unterschiedliche Richtungen deutbar. Wie wird anhand von Artefakten Geschichte konstruiert? Wer sucht und interpretiert und missbraucht dies möglicherweise auch als politisches Machtinstrument?

(c) vorschlag:hammer

Der Zahn

Ein Wildschwein trieb sich des Nachts im Hain herum. Es war noch jung aber krank und hatte Schaum vorm Maul. Auf dem Acker in der Nacht begann es wie wild die Rüben auszugraben. Im Mondenschein traf es auf den Bauern. Wütend ging es auf ihn los, doch er erschoss es mit 13 Schrotkugeln und warf es in eine Grube hinter seinem Haus zu all den anderen tollwütigen Kadavern der warmen Sommermonate. Sofort begann sich kleinstes Getier iin dem Leichenkörper einzunisten, sich massenhaft zu vermehren und den körper zu zersetzen.

So ging das mehrere Monate. Der Frost kam, die Tierchen verschwanden und zurück blieb das seidenweisse bis aufs Letzte gesäuberte und in seiner ursprünglichen Anordnung bestehende skelett.

Irgendwann zog sich der Fluss zurück und wählte ein neues Bett eine kleine Strecke entfernt. Wo einstmals die Grube war, bauten die Menschen nun eine Scheune. Tiere lebten fortan in der Scheune und trampelten den Boden fester und immer dichter, unter dem das Skelett des Wildschweins lag. Viele Jahre ging das so. Dann brannte die Scheune ab und ein schönes Steinhaus wurde auf dem Boden errichtet. Auch dieses Haus brannte irgendwann ab. Die Menschen verliessen die Gegend. Lange lebte dort keiner mehr.

Die Temperatur sank für lange Zeit. Wo einstmals alles grün und frisch gewesen war blühte jetzt lange Zeit gar nichts mehr. Der Boden blieb fest und kalt.

Die Menschen kehrten zurück und legten Steine obenauf. eine Strasse führte von nun an weit oben entlang. Schwere und leichte Wagen fuhren regelmässig ratternd über das Skelett hinweg. Der Druck auf den Schädel erhöhte sich ob der grossen Last der  langen Zeit und eines Morgens im kältesten Frost im Winter barst er. Der Zahn brach heraus und lag nun da ganz für sich.

Irgendwann liessen die Wagen nach. Ländergrenzen verschoben sich und die Strasse schlief ein und war bald nicht mehr zu sehen. Es blieb wieder sehr lange sehr ruhig.

Die jahreszeiten vergingen, es wurde hell, es wurde dunkel, viele male. Immer dichter legten sich die erdschichten über den toten kadaver. Der Fluss trat unendlich oft  über die Ufer und trug Schlamm auf die Ufernahen Gelände. Dicke Schichten legten sich auch über das ruhig daliegende Skelett.

Irgendwann wurde die Sonne wieder stark und ein Maulwurf grub sich seinen Weg nah des Skeletts. Er durchgrub es genau in der Mitte und teilte den Kopf von der Wirbelsäule. Alles lag nun etwas verdreht da.

Dann eines warmen Tages öffnete sich die Erde und Gruben wurden ausgehoben.

Eine Schaufel hieb den Kopf des Wildschweins in zwei Teile. Sie liessen grosse Rohre in die Erde. Alles wurde durcheinandergewirbelt. Kopf und Rumpf getrennt. Kiefer und Zähne verstreut und in unterschiedlichen Erdschichten für immer getrennt. Der zahn lag jetzt ganz allein noch ein Stück tiefer als zuvor. Vom Zahn bis zum Sonnenlicht waren es jetzt schon mehrere Meter. Dann liess man alles offen liegen. Nichts geschah. Nachts lag die Grube offen da, es wurde zusehends kühler ohne die schützende Erddecke. So ging das eine Zeit.

Eines frostigen Morgens erschien ein junger Mann mit einer kleinen verbogenen Schaufel oben an der Grube, er sprang hinein und begann die Ränder feinsäuberlich abzukratzen. Hier und da nahm ein Stückchen genauer in Augenschein. Irgednwann fiel sein Blick auf den Zahn am Rand. Er kratzte mit seiner kleinen Schaufel und blinzelte und pulte ihn aus der Wand. Er steckte ihn in seine Tasche und nahm ihn mit nachause. Es war der 6.12.2017 und sein zweiter Tag auf der Grabung und sein erster Grabungsfund und er verheimlichte ihn den anderen Mitarbeiterinnen.

»Authenticity is not about factuality or reality. It is about authority. Objects have no authority; people do.«

(Spencer R. 
Crew, James E. Sims; 1991)