Was für ein Kreis?
Overhead Project
Es handelt sich um einen Kreis, eine Form die kein »festes« Zentrum hat, dessen Mitte »leer« ist. Gerade weil die Mitte »leer« ist, wirkt sie wie eine demokratische Maschine. Sie stößt Diskurse ab oder zieht sie an, sie lässt die gesellschaftlichen Pendel durch sie hindurchlaufen, beschleunigt sie oder bremst sie ab, lenkt sie um oder verbindet verschiedene Energien. Der Kreis symbolisiert einen gesellschaftlichen Raum, der Sicherheit, Beweglichkeit und Solidarität ermöglicht, aber stets unter der »positiven Gewalt« seiner Mitte steht.
Die Mitte kolonialisiert den Kreis.
Gleichzeitig entzieht sich die Grenze des Kreises jeder Geschichte eines Anfangs. Der Umfang spricht die Sprache der Zyklen, er spricht die Sprache der ewigen Wiederkehr des Gleichen, der Weltzeitalter, die sich immer wieder von Neuem in Bewegung setzen. Dort, wo es keinen ersten Punkt zu geben scheint, könnte alles beliebig sein. Und doch ist gerade dieses Beliebige vollständig aufgeladen. Man sieht es immer dann, wenn die äußerste Linie, so klein man sie auch denkt, mit vollkommener Gewalt Identitäten und Schicksale zerschneidet, zuteilt, aufteilt, ausschließt oder einsperrt.
Die Grenze kolonialisiert den Kreis.
Von Eric Eggert
Philosoph und dramaturgischer Begleiter der Produktion "SURROUND" von Overhead Project
TOPOGRAPHIE DER MACHT
In der Architektur ist der Kreis Podium und Arena zugleich. Er bietet Sichtbarkeit und eine Bühne für die volle Aufmerksamkeit. Diese Bühne kennt kein Vorne und Hinten, kein Versteck vor all den Blicken. Dadurch verspricht sie Transparenz und Authentizität.
www.parliamentbook.com
"Parliament is the space where politics literally takes shape. Architecture affects the political culture that is shaped in these settings" stellt das Amsterdamer Architekturbüro XML in seiner 2016 erschienenen Analyse der Parlamentssäle von 193 UN Mitgliedsländern fest. Die räumliche Sitzanordnung wird in 5 unterschiedliche Grundrisse unterschieden: Halbkreis, Hufeisen, gegenüberliegende Bänke, Klassenzimmer und Kreis. Die meisten dieser Anordnungen blieben über die Jahrhunderte gleich, obwohl sich die Gesellschaften grundlegend veränderten. Der Kreis als jüngste Formentwicklung des Plenarsaals entstand allerdings in den 80er Jahren aus der Idee demokratischer Gleichheit heraus.
Von Eric Eggert und Tim Behren