Bis in die 1950er Jahre war Süleimaniye ein bürgerliches Viertel, erzählt der Stadthistoriker Orhan Esen, während er an Hauswracks voller Müll vorbeigeht. Doch über die Jahre verarmte das Viertel und verfiel. Als fatal erwies sich das Denkmalschutzgesetz von 1985, das es Hauseigentümern verbot, auch nur die Regenrinnen zu reparieren, ohne vorher eine Genehmigung einzuholen. Da ließen viele die Renovierung lieber ganz bleiben.
Schließlich plante die Stadtverwaltung einen radikalen Neuanfang für den Bereich unterhalb der Moschee: Abriss, Neubau, Tiefgarage. Denn ohne Tiefgaragen gibt es in Istanbul keine Gentrifizierung, sagt Esen. Ihretwegen werden ganze Viertel abgerissen, statt die bestehenden Häuser zu sanieren. In Süleimaniye, genau wie in Sulukule und Tarlabasi.
»Das Projekt wurde für Angehörige der Mittelklasse entworfen, die Autos besitzen und die aus Sicherheitsgründen lieber ihren Fuß nicht in die umliegenden Viertel setzen wollen«, sagte die Professorin für Stadtplanung Tolga Islam dem Magazin Al-Monitor. Alle Häuser seien so angelegt, dass die Bewohner aus dem Auto direkt in die Wohnung gehen können.
Süleimaniye ist eines der ältesten Viertel Istanbuls. Neben Moscheen, Bibliotheken und Brunnen aus der osmanischen Epoche finden sich hier noch viele Überreste aus byzantinischer und römischer Zeit. Noch heute sieht man antike Mauern. Dieses Gelände für eine Tiefgarage umgraben? Ein Albtraum für jeden Archäologen!
In Süleimaniye scheiterte das Projekt am Ende eben an dieser rücksichtslosen Planung: Ein Gericht stoppte den Bau der Garage. Nun liegt das Projekt seit Jahren auf Eis. Geblieben sind Hausgerippe, Bauzäune und Brachflächen, auf denen Müllsammler ihre Ballen aus Pappe und Plastik stapeln.