Nürnberg 2016. Ein Laden wird renoviert, eine Verkäuferin macht eine Rauchpause, ein Erdbeerverkäufer steht in einer Parkbucht.
Ist das ein Laden oder eine Gedenkstätte?
Filmisches Erinnern in Nürnberg
Vor 17 Jahren explodierte in dieser Stadt in einer Bar eine Bombe. Vor 16, 15, 11 Jahren wurden ein Blumenhändler, ein Änderungsschneider, ein Imbissbesitzer ermordet. Wie filmt man einen Tatort, so dass er auch einfach Ort sein kann? Ein Ort, von dem aus man auf die Stadt schaut. Ein Ort, der schaut. Ein Ort, der sich schüttelt und wehrt, gegen das Filmteam, gegen die Erinnerung an die Tat.
Der Kurzfilm „Tiefenschärfe“ von Alex Gerbaulet und Mareike Bernien untersucht Orte in Nürnberg, an denen der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund Mord- und Bombenanschläge verübt hat. Es ist eine beobachtende Umkreisung, welche die Tatorte über ihre Umgebung kontextualisiert und ihre heutige Be- und Umnutzung zeigt. Im Off-Kommentar werden alltägliche Szenen und Begegnungen beschrieben und mit Fragmenten von Hintergrundwissen über die Taten sowie über die Parallelwelt der Mordermittlungen verschränkt. Die Orte werden zu Blickpunkten auf eine Stadt, deren Achse immer wieder aus dem Bildrahmen kippt.
Ein Ausloten, Irritieren und Verschieben von Realitätsebenen findet statt.
Im Rahmen des Tribunals "NSU-Komplex auflösen" sind hier zwei Auszüge ihrer filmischen Arbeit präsentiert.
Buch, Regie, Ton, Schnitt: Alex Gerbaulet & Mareike Bernien
Kamera: Jenny Lou Ziegel
Sprecherin: Göksen Güntel
Farbkorrektur, Mastering: Sebastian Bodirsky
Sprachaufnahme, Tonmischung: wave-line Berlin
Übersetzung: Melanie Brazzel